TSG Wieseck - JugendFörderzentrum
 

Zwei Jahre Pandemie und die Folgen für die Kinder und Jugendlichen 

 

Von Deniz Solmaz
Ich habe mich während dem Lockdown bereits dazu geäußert, dass ich die Befürchtung hatte, dass die Maßnahmen große Auswirkungen auf unsere Kinder und Jugendlichen haben werden.
Heute muss ich feststellen und gestehen: Leider hatte ich völlig recht.

Seit knapp einem Jahr läuft alles wieder so wie früher, könnte man meinen. Die Folgen dieser Ausnahmesituation spüre ich heute nahezu täglich in der Arbeit mit den Jugendlichen.

Vorab ein Wort an die Jugendlichen da draußen:
Ja ich finde, Eure Interessen spielen leider in der Welt der Erwachsenen kaum eine Rolle. Ihr könnt Euch zu Recht beklagen, dass vieles unfair läuft. Aber Ihr habt auch eine Wahl, ob Ihr Euch ungerecht behandeln lasst oder nicht. Die Industrie freut sich, dass ihr Euch in der Onlinewelt verliert, so wird Kohle gemacht. Geht wieder raus, trefft Euch mit Freunden. Legt das Handy zur Seite, es gibt viel Wichtigeres. Arbeitet hart für Eure Träume und seid immer ehrlich und sprecht aus, was ihr denkt.

Wenn Ihr daheim hängt und die Entscheidung habt, zwischen dem Handy oder der Playstation, dann entscheidet Euch wieder mehr für das Leben da draußen. Geht kicken, geht Party machen, geht zu Freunden, geht trainieren wie die Weltmeister, daheim verschimmeln ist keine gute Option.

Netflix, Playstation, Tiktok und Co. sind die neuen besten Freunde
Ich fand die Bildschirmzeiten der Jugendlichen vor diesen zwei Jahren schon besorgniserregend hoch und wir haben hier schon immer versucht dem gegenzusteuern. Die Dämme sind dann während den zwei Jahren alle gebrochen, was für Alternativen hatten sie auch? Stundenlang vor der Playstation, der Glotze oder am Handy waren die Ablenkung. Viele sind in ein Loch gefallen und haben es sich zu Hause „gemütlich“ gemacht. Handyzeiten von 6-12 Stunden waren normal. Reale Kontakte waren kaum möglich. Chillen ist die neue Normalität geworden.
Kinder und Jugendliche haben keine Lobby.

Schulschließungen, Kontaktverbote und sonstige Einschränkungen hatten gerade für die Jüngsten in unserer Gesellschaft massiven Einfluss. Es ist ein Unterschied, ob ich als 38-jähriger, zwei solch außergewöhnliche Jahre erleben muss oder ein 14-jähriger. Ich hatte zuvor 36 schöne Jahre und werde hoffentlich auch noch viele Jahre danach haben, aber bei Kindern und Jugendlichen sind es zwei Jahre, die großen Einfluss in ihrer Entwicklung nehmen. Ich hatte bei den ganzen Diskussionen um Öffnungsschritte während der Pandemie das Gefühl, dass die Belange der Kleinsten eigentlich keine große Rolle gespielt haben. Lobbyisten für diese Altersgruppe kenne ich nicht und so war es für viele scheinbar egal, wie es ihnen geht.

Aus diesem Loch sind viele bis heute nicht richtig herausgekommen.
Diese Phase hat Abhängigkeiten verstärkt: Viele, mich eingeschlossen, haben sich in der Online-Welt nahezu verloren. Ich habe 30 Minuten auf Instagram verbracht und mich mit belanglosem Käse berieseln lassen und mich danach geärgert, wie ich meine Lebenszeit dabei in den Müll warf.

Die ersten Monate nachdem fast alle Beschränkungen aufgehoben wurden, war die Motivation der Spieler groß, Vieles nachzuholen. Man hat sich zum Bolzen getroffen oder einfach mal Zeit miteinander verbracht. Diese Motivation hat aber nicht sonderlich lange gehalten, denn viele sind schnell in alte Muster verfallen und chillen zu gerne daheim.

Die täglich spürbaren Konsequenzen:
Ich formuliere es mal, wie ich es empfinde:
Viele Spieler sind träge geworden und glauben es gibt eine gemütliche Rolltreppe, die zum Erfolg führt. Die Zeiten, in denen vor dem Training schon Betrieb auf dem Gelände war und sie zusätzlich trainiert haben oder noch länger geblieben sind, haben erschreckenderweise massiv abgenommen.

Anderen Teams oder Freunden beim Kicken zuschauen? Ne, lieber schnell nach Hause und wieder chillen.
Vieles ist unpersönlicher geworden. Den ganzen Tag verbringen wir Zeit auf Social-Media-Plattformen und sind vernetzt wie noch nie - gleichzeitig fühlen sich viele allein und der persönliche Kontakt ist eingeschlafen. Viel Zeit miteinander zu verbringen und dabei automatisch in Gespräche zu versinken, ist leider selten geworden.

Getrieben durch die hohe Onlinezeit, gibt es einen wichtigeren Wettbewerb für die Jungs als auf dem Platz. Ich hasse es zu verlieren und die Gier nach Verbesserungen treibt mich jeden Tag an. Für Erfolg braucht es Reibung und vollen Einsatz. Diesen Einsatz stecken viele in Ihre Social-Media Kanäle, um durch die geilsten Bilder sowie die tollsten Videos, Reichweite und Klicks zu generieren.

Ich fasse es mal zusammen:
Kinder und Jugendliche haben in unserer Gesellschaft keine große Bedeutung. Das sieht man zum einen daran, dass es auch aktuell um alle Themen in der Politik geht, aber eigentlich nie um Bildungsfragen oder sonstige Themen, die die Heranwachsenden betreffen. Kinder und Jugendliche wurden in der Pandemie meiner Meinung nach unfair behandelt und jetzt haben wir den Salat. Die Leistungsbereitschaft hat abgenommen. Raus aus der Komfortzone zu kommen, fällt schwerer denn je. Der menschliche Umgang ist eingerostet und die Einsamkeit hat zugenommen. Viele verkriechen sich daheim. Die Gesellschaft missachtet ihre eigene Zukunft und wundert sich dann, dass sie später weniger belastbar sind.

Was muss sich ändern?
Kinder und Jugendliche können nicht viel für diese Entwicklung. Sie werden durch die äußeren Einflüsse der Gesellschaft zu dem geformt, was sie sind. Diese Verantwortung müssen wir als Erwachsene wieder in die Hand nehmen. Wir sollten wieder authentische Vorbilder werden und Menschlichkeit, Liebe und Leistungsbereitschaft vorleben. Viele von uns hängen selbst ständig vor dem Smartphone oder chillen zuhause und wundern sich, dass es die Kinder auch tun. Schafft den Kindern Angebote: Urlaub, Spaziergänge und Unterstützung bei deren Hobbys. Sie müssen wieder aus der Komfortzone herausgeholt werden. Dafür müssen wir auch mal durchgreifen und die Bildschirmzeit begrenzen - diesen Konflikt gilt es auszuhalten.

 

 

 
 
 
 
E-Mail
Anruf
Karte
Instagram